MT, 07.11.2019: Stadt sucht Notquartier für Jugendtreff

Gespräch mit BVC über Vereinsheim geplant

Ein Jahr nach der Einstellung einer Sozialarbeiterin gibt es für ihre Arbeit mit Jugendlichen noch immer keinen Raum im Stadion. Der beschlossene Umbau einer alten Hausmeisterwohnung stockt, weil die Verwaltung überlastet ist.

„Klinken geputzt“ hat Nicole Gebel, die Sozialarbeiterin  des geplanten Jugendtreffs, schon ein Jahr lang: In Schulen und an öffentlichen Treffpunkten der Stadt hat die neue Mitarbeiterin der Jugendpflege Kontakte geknüpft und einen „Wunschbogen“ verteilt. Doch umsetzen lassen sich die gesammelten Ideen der Jugendlichen nicht.  Denn der Jugendtreff im Mehrgenerationenpark (kurz „JIM“) steht bisher nur auf dem Papier.

Die seit fast zwei Jahren ungelöste Raumfrage will der Sozialausschuss des Rates nun mit einer alten Idee beantworten: Um eine Übergangslösung zu schaffen, soll die Verwaltung mit dem BVCüber eine teilweise und zeitlich begrenzte Nutzung des Vereinsheims verhandeln, bis der stockende Umbau der leeren Hausmeisterwohnung im Stadion endlich in Gang kommt. Das hat Andreas Borchers vorgeschlagen. Der offene Jugendtreff brauche eine Anlaufstelle um „überhaupt loslegen“ zu können, forderte der Sozialpädagoge. Ohne Raum bleibe die Aufgabe „eine Luftnummer“, betonte sein Fraktionskollege Stefan Riesenbeck.

Bürgermeister Dr. Wolfgang Wise sagte zu, noch vor Weihnachten Gespräche mit dem BVC-Notvorstand zu führen, um eine der beiden Etagen  nutzen zu können. Das Gebäude gehört der Stadt. Der Verein hat es gepachtet und die Räume selbst ausgebaut. Für das Konzept, das Nicole Gebel ausgearbeitet hat, wäre das Notquartier zwar nicht geeignet, weil Räume für kleine Gruppen fehlen. Aber trotz des „Kneipencharakters“ (Olaf Vocks, CDU) und der inhaltlichen Beschränkung würde Daniela Weinert, die Leiterin der Stadtjugendpflege, sofort zugreifen. Gebel müsse interessierte Jugendliche vertrösten, was „unglaublich unbefriedigend“ sei, erklärte Weinert. Die Räume seien zwar „nicht optimal“, aber der Treffpunkt brauche „erst einmal eine Anlaufstelle“.

Der Bürgermeister wies in der Diksussion den von Jutta Klaus (UWG) erhobenen Verdacht zurück, die Verwaltung verzögere aus Desinteresse die Einrichtung. Wiese erinnerte daran, dass sich die Politik letztlich erst im April über das Quartier einig geworden ist. Der Umbau scheitert aus seiner Sicht an einer Überlastung der Verwaltung mit Bauprojekten. Trotz knapper Personaldecke haben sich die Bau-Investitionen in den letzten drei Jahren fast verdreifacht. Die Verwaltung habe mehrfach angemahnt, dass beschlossene Vorhaben nicht mehr zeitgerecht umgesetzt werden können, sagte Wiese.

In dieser Notlage habe die Verwaltung den Kindergärten und Schulen Vorrang eingeräumt. Wenn die Politik andere Maßstäbe ansetzen wolle, müsse sie das der Verwaltung vorgeben, sagte Wiese. Neues Ziel für den offenen Jugendgtreff ist die Fertigstellung bis Ende 2020.

In der inhaltlichen Arbeit wird sich Nicole Gebel auf Jugendliche konzentrieren, die an der „Schwelle zum Abrutschen“ in soziale Problem-Gruppen stehen, hieß es im Ausschuss. Die SPD relativierte in diesem Zusammenhang ihre Forderung nach einer aufsuchenden Sozialarbeit an Brenpunkten. Andreas Borchers sprach von einem „großen Missverständnis“. Von Gebel wird nicht (mehr) erwartet, dass sie auf Drogenabhängige und Alkoholkranke zugeht, die sich auf Schulhöfen und in Parks treffen. Auch der Kampf gegen die Vermüllung der Treffpunkte gehört nicht mehr dazu. Ordnungspolitik sei nicht ihre Aufgabe, betonte Borchers.
Stattdessen verständigte sich der Ausschuss auf die „Bitte“ an die Sozialarbeiterin, regelmäßig an Treffpunkten interessierte Jugendliche anzusprechen, weil von den Problem-Gruppen eine Anziehungskraft auf benachteiligte und gefährdete Jugendliche ausgehe. Sie könnten und müssten noch erreicht werden, meinte Borchers.

Die Grünen hatten in der Sitzung zuvor echtes Stehvermögen gefordert, um „niemanden zurückzulassen“ und sich „nur um die Braven zu kümmern“ (Dr. Imtraud Kannen). „Wir sollten nicht so tun, als wenn wir im schlimmsten Ghetto wären“, sagte Borchers nun. Auch Olaf Vocks (CDU) forderte eine differenzierte Bewertung der über 50 Treffpunkte in der Stadt. „Ich glaube nicht, dass wir unglaubliche Probleme haben“, meinte der Ratsherr.